Raumanalyse 4-Blicke
Was ist ein "Raum" in Erdkunde?
"Raum" ist in der Erdkunde ein Begriff für alles, was man nicht klar benennen kann. Wer "Raum", "Raumanalyse", "Raumbezug", "raumbezogene Kompetenzen" usw. sagt, klingt irre schlau. Er sagt aber eigentlich nichts. Wir müssen im Zuge unseres Unterrichts also klarer überlegen, was genau gemeint sein soll.
- wir definieren "Raum" präzise als einen Kontinent, ein Land, eine Staatengruppe, ein Bundesland, eine Region in einem Land, eine Stadt, einen Stadtteil... also als einen klar eingrenzbaren Teil der Erdoberfläche
- und wir definieren "Raum" vor dem Hintergrund der von uns gewählten Betrachtungsweise. Das tun wir durch die Anwendung der "4-Blicke-Methode". Mit dem Raum ist es wie mit der Pizza: Die Perspektive bestimmt, was wir wahrnehmen. Pizza kann dann je nach Perspektive schön, ungesund, heiß, zu klein, zu groß, chemisch, dreidimensional, zu pilzlastig, zu fleischhaltig, zu mehlig, zu teuer, genau richtig, angebrannt... sein.
Die Perspektive bestimmt, was wir sehen - und worauf wir überhaupt achten.
- "Räume" können "Behälter/ Container" sein, in denen was drin ist (zum Beispiel Landschaft, Menschen, Klima...)
- "Räume" können durch Lagebeziehungen bestimmt sein (der Bahnhof liegt am Rand der Altstadt; das Braunkohlekraftwerk liegt in der nähe des Tagebaus...)
- "Räume" können durch unsere Wahrnehmung bestimmt sein (weit, eng, laut, schön, gefährlich, sicher, unangenehm, von "alten weißen Männern" dominiert, urban, lebendig, multikulturell...
- "Räume sind aber in erster Linie "gemacht" - man spricht vom "konstruierten Raum". Der Mensch gestaltet seine Umwelt, die Städte, die sozialen Gefüge, sogar das Klima... alles (außer einzelnen naturgeographischen Gegebenheiten wie Vulkane, Erdbeben). Selbst die werden aber genutzt, vermieden, ignoriert...
Die 4-Blicke-Methode
Bei dieser Vorgehensweise lenkt man seinen Blick gezielt so, dass man eine der obigen Betrachtungsweisen in den Mittelpunkt stellt. Aus allen vier Perspektiven heraus entsteht ein Gesamtbild, das man als einigermaßen geeignete Analyse eines "Raumes" betrachten kann. Mach dir vorab eines klar: Kein "Raum" der Welt kann sinnvoll vollständig analysiert werden. Denn die vollständige Analyse würde alles umfassen - den gesamten Naturraum in all seinen Facetten, alle menschengemachten Strukturen in ihren Lagebeziehungen, alle sozialen, politischen, wirtschaftlichen... Aspekte. Es geht für uns also auch immer um eine gezielte Auswahl einzelner wichtiger Aspekte
1. Der Raum als Container
Man untersucht hier "objektiv vorhandene" Aspekte, zum Beispiel
- wo der Ort liegt
- wie viele Menschen dort ca. wohnen
- wie viele Straßen es gibt, welche Art von Straßen
- wo Eisenbahnlinien verlaufen
- die Vegetation
- das Klima
- die Bodengüte
- Arbeitslosigkeit, BIP...
- Landwirtschaft
- ...alles, was drin ist im Raum.
Es geht darum, die wichtigsten objektiven Merkmale eines "Raumes" herauszuarbeiten.
2. Räume als Systeme von Lagebeziehungen
- Lage des Raumes zu anderen Räumen; z.B. die Lage Hamelns zu Hannover, Frankfurt; in Deutschland, in Europa usw.
- Verkehrsverbindungen
- wirtschaftliche Verflechtungen
- Abhängigkeit (Rohstoffe, Bezugsräume...)
- Wirtschaftsstrukturen in Bezug auf Rohstoffquellen, Verkehrsanbindung
- Pendler...
Dieses Raumkonzept bildet den Schwerpunkt bei der typischen Beschreibung von Karten
Es geht darum, Zusammenhänge und Bezüge herauszuarbeiten
3. Räume in der Wahrnehmung von Menschen
Wie nehmen verschiedene Akteure den Raum wahr?
Akteure sind alle Menschen, Unternehmen in ihren jeweiligen Rollen und mit ihren spezifischen Interessen. Du zum Beispiel bist Akteur, beispielsweise vielleicht als Konsument, Wähler, Klimademonstrant, Schüler, Unternehmenserbe, Aktionär... Wichtig ist, dass sich unterschiedliche Perspektiven auf den gleichen "Raum" ergeben.
- Fremde, Einheimische
- Bewohner, Tourist, Flüchtling,...
- Kind, Elternteil, Rentner
- Arbeitnehmer, Arbeitgeber...
- Umweltschützer, Politiker, Tankstellenbetreiber, Klimaschützer, Aktionär...
- Opfer einer Katastrophe
Es geht darum, zentrale Akteure mit ihren spezifischen Perspektiven herauszuarbeiten. Konflikte, Widersprüche, Zusammenhänge müssen verdeutlicht werden
Der Raum als Konstruktion - von Menschen gemacht
- WER (Akteure, s.o.) macht WAS (nicht) WARUM (Interessen, was soll erreicht werden)?
- Denk zum Beispiel an ein beliebiges Kohlekraftwerk: WER sorgt dafür, dass es dort ist, wer braucht es, wer profitiert davon, WER möchte es abschalten... Klimawandel, Umweltverschmutzung als objektive Merkmale (Akteure Klimaschützer, Umweltschützer, Anwohner...) würde zunächst bedeuten, dass das Kraftwerk nicht da sein dürfte. Energiebedarf (Akteure Konsumenten, Unternehmer,...) und Unternehmensinteressen sind durch Akteure so vertreten worden, dass das Kraftwerk dort gebaut wurde und noch steht.
Die Existenz des Kraftwerks ist einerseits eine objektive Tatsache, aber nicht zwangsläufig. Interessengruppen (Akteure) haben es "gemacht". Auf diese Weise kannst du alles hinterfragen, analysieren und betrachten. In der von Menschen gestalteten Welt ist kaum etwas einfach nur so da. Fast alles wurde von Menschen gemacht, gewollt, ermöglicht, verhindert...
- Inszenierung von Räumen: Darstellung in Medien (positiv, negativ, Perspektiven)
- WER stellt den Raum WARUM WIE dar?
- WER versucht, WELCHES BILD von dem Raum zu vermitteln?
Beispiel Hameln - als Einkaufsstadt, als Touristenziel, als fahrradunfreundlicher Moloch, als Stadt mit schlechter Bahnanbindung, als Wirtschaftsstandort...)
Es geht darum, kritisch, präzise und reflektiert herauszuarbeiten, WER WAS WARUM (Absichten, Interessen) macht, verhindert, darstellt.